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So baut Europa seine eigene Cloud: „Die Abhängigkeit von Amerika ist enorm“

So baut Europa seine eigene Cloud: „Die Abhängigkeit von Amerika ist enorm“
Amerika verlassen
Von Chris Koenis · · Geändert:
© Getty Images So baut Europa seine eigene Cloud: „Die Abhängigkeit von Amerika ist enorm“
RTL

Europa will seine große Abhängigkeit von amerikanischen Cloud-Diensten so schnell wie möglich loswerden. Deshalb wird hinter den Kulissen an einer eigenen europäischen Cloud gearbeitet. Doch der Aufbau ist nicht so einfach und wird sicherlich Jahre dauern.

Die Niederlande gehören zu den Ländern, in denen die Regierung stark von den Cloud-Diensten vor allem großer amerikanischer Unternehmen wie Microsoft, Amazon und Google abhängig geworden ist. Diese bieten E-Mail, Chat, Online-Zusammenarbeit und digitale Dokumentenspeicherung, die viele Niederländer täglich nutzen.

Lange Zeit war der Kauf ihrer Dienste eine Selbstverständlichkeit. Doch Experten warnen, dass dies seit Jahren in so großem Umfang geschieht, dass sich Regierungsorganisationen, Finanzinstitute und sogar Krankenhäuser in einer riskanten Abhängigkeitssituation befinden. Die für das Funktionieren dieser Organisationen entscheidenden IT-Funktionen laufen größtenteils über gemietete amerikanische Cloud-Dienste.

„Die Abhängigkeit ist besorgniserregend“

Die Erkenntnis, dass wir stark von amerikanischen Cloud-Diensten abhängig sind, ist auch in der politischen Spitze in Den Haag und Brüssel angekommen. Eine Erkenntnis, die in diesem Jahr durch den unberechenbaren Kurs der Trump-Administration noch an Dynamik gewonnen hat.

„Die Abhängigkeit von amerikanischen Cloud-Anbietern ist enorm“, sagte Marietje Schaake, ehemaliges Mitglied des Europäischen Parlaments und heute Technologieforscherin an der Stanford University, gegenüber RTL Z. „Genau wie unsere allgemeine Abhängigkeit von amerikanischer Technologie ist dies besorgniserregend, da die USA kein Verbündeter mehr sind und bereit sind, diese Abhängigkeit als Druckmittel einzusetzen. Europa muss eigene Alternativen aufbauen.“

Staatliche Dienste hängen stark von der US-Cloud ab: „Kopf auf dem Hackklotz“

Die Europäische Kommission unter Ursula von der Leyen hat dies erkannt und möchte daher ebenfalls eine eigene Cloud entwickeln. Dieses europäische Cloud-Projekt ist zusammen mit der Entwicklung einer eigenen KI eines der wichtigsten Projekte der kommenden Jahre. Es wurde sogar als wichtiges Projekt von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) eingestuft und kann daher staatliche Förderung erhalten.

Sieben EU-Länder stellen insgesamt 1,2 Milliarden Euro an Staatshilfen bereit, teilte Brüssel vor anderthalb Jahren mit. Die Niederlande gehören zu den Ländern, die ihr Portemonnaie öffnen und 71,2 Millionen Euro an Subventionen aus der Staatskasse beisteuern. Zusätzlich zu den staatlichen Hilfen will die Kommission weitere 1,4 Milliarden Euro an privaten Investitionen für die europäische Cloud einwerben.

Niederländische Unternehmen nehmen teil

Das IPCEI-Cloud-Programm wird von neunzehn Unternehmen aus diesen sieben Ländern umgesetzt. Sie sind die sogenannten „direkten Teilnehmer“ am europäischen Cloud-Projekt.

Das einzige niederländische Unternehmen auf der Liste ist das Amsterdamer Hosting- und Cloud-Unternehmen Leaseweb. Es bietet Unternehmen und Organisationen verschiedene Cloud-Dienste an. Leaseweb entwickelt außerdem eine sogenannte „Public Cloud“, die über das Internet für jedermann zugänglich ist. Dies als Alternative zu den „Hyperscalern“, wie die riesigen Rechenzentren amerikanischer Technologiegiganten genannt werden.

Das Netzwerk von Leaseweb umfasst 28 Rechenzentren in Europa, Asien, Australien und Nordamerika. Zwei davon befinden sich in den Niederlanden. Kunden können wählen, wo ihre Daten gespeichert werden. „Auf Kundenwunsch bringen wir diese Daten niemals außerhalb des Landes, in dem sie gespeichert sind“, sagt Leaseweb-Direktor Robert van der Meulen, verantwortlich für die Produktstrategie. „So wissen unsere Kunden jederzeit, wo sich ihre Daten befinden.“

Zu den neunzehn direkten Teilnehmern gehört eine wachsende Gruppe von mittlerweile 95 Partnerunternehmen, die ebenfalls beim Aufbau mitwirken. Dazu gehören niederländische Unternehmen wie das Cloud-Unternehmen BIT, das Hosting-Unternehmen i3D.net und das Glasfaserunternehmen Eurofiber. Auch das Forschungsinstitut TNO, die Universität Twente und der Internet-Hub AMS-IX sind beteiligt.

Sie arbeiten gemeinsam an Projekten mit einem konkreten Ziel. Beispielsweise geht es darum, die Rechenzentren der europäischen Cloud so energieeffizient wie möglich zu gestalten oder sicherzustellen, dass alle verschiedenen europäischen Cloud-Dienste miteinander kommunizieren können. Dies soll letztendlich zu einer „souveränen“ europäischen Cloud führen.

Doch das wird nicht über Nacht geschehen. Der Entwurf für die europäische Cloud, also die erste „essentielle Softwareschicht“, die für die Vernetzung europäischer Cloud-Anbieter benötigt wird, soll laut einem Sprecher der Europäischen Kommission bis Ende 2027 fertig sein. Sobald er fertig ist, muss er von den verschiedenen Cloud-Anbietern genutzt werden.

Eine große Herausforderung sei auch die Denkweise, die europäische Akteure annehmen müssten, sagt IT-Experte Bert Hubert. „Wenn man neben der Servermiete auch alle möglichen tollen Dienste anbieten will, muss man hochqualifizierte Entwickler einstellen. Und dann muss man diese Dienste auch noch rund um die Uhr unterstützen. Das erfordert sehr teure Mitarbeiter.“

Hubert bezweifelt, dass Hosting-Unternehmen wie Leaseweb einen so großen Wandel allein schaffen können. „Wir verlangen von ihnen, sich komplett zu verändern. Und das gelingt den meisten Vereinen nicht.“ Er glaubt jedoch, dass neue europäische Cloud-Anbieter entstehen könnten, die ihre Server exklusiv Hosting-Unternehmen wie Leaseweb, dem deutschen Unternehmen Hetzner oder dem französischen Unternehmen OVH überlassen. Gemeinsam würden sie so zu einer realistischen Alternative zu Amazon, Microsoft und Google.

Vorherige Initiative scheitert

Es gab bereits frühere Versuche, eine europäische Cloud-Plattform aufzubauen. Die vielbeachtete deutsch-französische Initiative Gaia-X scheiterte 2020 kläglich, als plötzlich auch amerikanische und chinesische Unternehmen beitreten durften. Gaia-X konzentriert sich nun auf Standards für den Datenaustausch, teilweise mit EU-Fördermitteln.

Unabhängig davon arbeiten die Niederlande an einem Plan zum Aufbau einer „ausgereiften nationalen Cloud-Infrastruktur“ innerhalb von vier Jahren. Ziel ist es, kritische Regierungsdienste intern zu halten, nach dem Motto „Niederländisch, wo möglich, europäisch, wo nötig“. Die neue, sogenannte regierungsweite Cloud-Strategie sollte im ersten Quartal dieses Jahres vorgestellt werden, wurde aber bisher nicht vorgelegt.

Zudem sollte PVV-Staatssekretär Zsolt Szabó am vergangenen Freitag die neue „niederländische Digitalisierungsstrategie“ vorstellen. Drei Tage zuvor hatte Parteichef Geert Wilders jedoch alle PVV-Minister aus dem Kabinett abgezogen. Mit dieser Entscheidung stürzte nicht nur das Kabinett, sondern auch die Vorstellung von Szabós niederländischem Digitalisierungsplan scheiterte in letzter Minute.